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Wie moderiere ich erfolgreich?

Nadja Wersinski • März 01, 2021

Das Beste aus Gruppen rausholen


Was genau bedeutet es eigentlich, Gruppen zu moderieren? Und was macht eine Moderation zu einer richtig guten Moderation?


Der Begriff Moderation stammt vom lateinischen Wort „moderatio“ -  „die Mitte finden". „Moderat“ bedeutet ja meist „gemäßigt“ und „ausgewogen“. Auch „steuern“ und „lenken“ verbinden wir mit dem Wort Moderation. Somit mäßigt, steuert und lenkt eine Moderation eine Gruppe. Sie ermöglicht den Teilnehmer*innen damit,  ein gemeinsames Ergebnis zu entwickeln. Und das übrigens völlig unabhängig davon, ob die Gruppe physisch in einem Raum ist oder virtuell.
 
Wir kennen alle die üblichen Rahmenbedingungen, wenn wir mit Menschen etwas erarbeiten: „Wir haben nur diese zwei Stunden, in denen wir die entscheidenden Menschen an diesem Tisch haben“, „Wir müssen unbedingt heute eine Entscheidung treffen“. Manchmal ist einfach nicht alles möglich. Gute Moderation ist dennoch mehr, als in zwei Stunden alle vorgesehenen Tagesordnungspunkte ohne kritische Diskussionen abzuarbeiten und die Sitzung pünktlich zu beenden.


Und gute Dialogbegleitung bedeutet mehr als die „Moderationstechnik“ oder die „Metaplanmethode“ – also das Sammeln von Ideen auf Karten, um sie anschließend nach Themen zu sortieren („clustern“) und zu priorisieren. Das lässt sich schnell lernen. Um gut zu moderieren ist es meiner Erfahrung nach immer hilfreich, sich mit der eigenen Haltung als Moderator*in zu beschäftigen. 

Moderation


Moderation ist eine Frage der Haltung


Folgende Aspekte gehören für mich zu einer Moderationshaltung:


  • Dienstleistung: Moderation ist eine Serviceleistung für eine Gruppe – um all die Ressourcen, die im Raum zur Lösung eines Problems versammelt sind, heraus zu kitzeln. Die Moderation agiert häufig im Hintergrund und stellt Methoden zur Verfügung, wenn sie gebraucht werden.


  • Persönlichkeit: Die Persönlichkeit der Moderation hat große Auswirkungen auf den Prozess. In diesem Sinne ist die Moderation nicht distanziert und neutral, sie versteckt sich nicht, sondern kann durchaus provozieren, „auf den Busch klopfen“ – um alles, was auf den Tisch muss, auch dorthin zu bekommen. Der Fokus der Moderation liegt deshalb immer auch auf der Stimmung im Raum. Was verändert sich? Wer ist zufrieden, wer ärgert sich? Wer reagiert wie auf das Gesagte? Hilfreich ist es, die Wahrnehmungen auszusprechen und Emotionen auszudrücken, also zu nutzen, um das Thema und die Gruppe voran zu bringen.


  • Neutralität und Allparteilichkeit: Eine Moderation ist gegenüber allen Personen und Themen neutral und vertritt keine Position. Sie stärkt deshalb immer den Teil der Gruppe, der aktuell nicht genug zu Wort kommt, nicht ausreichend Gewicht hat. Sie äußert die Perspektive, die sonst untergehen würde. Sie arbeitet mit dem, was aus der Gruppe heraus kommt und trifft keine Entscheidungen.


  • Deliberation: Deliberativer Austausch bedeutet, dass die besseren Argumente sich durchsetzen, hierarchiefrei und auf Augenhöhe. Um dies zu gewährleisten verlangsamt die Moderation die Prozesse und stellt Fragen, damit wirklich alle mit- und zu Wort kommen, und spricht die ruhigen Personen gezielt an. Das ist besonders dann eine Herausforderung, wenn die Augenhöhe gar nicht hergestellt werden kann, weil zum Beispiel Vorgesetzte und Mitarbeitende zur Gruppe gehören.


  • Veränderung und Bewegung: Die Moderation gibt den Teilnehmenden Impulse, sich zu bewegen. Zum Beispiel indem sie Positionen hinterfragen, flexibel im Kopf bleiben und ihre Meinung auch mal ändern. Um eine Gruppe derart zu dynamisieren, ist nicht der Konsens entscheidend, sondern offen gelegte Widersprüche und unterschiedliche Bedürfnisse.

    Oft kommen Gruppen einen großen Schritt weiter, wenn viele Emotionen im Spiel sind. Deshalb ist es manchmal sinnvoll, nicht die Person reden zu lassen, die als nächste auf der Rednerliste steht, sondern diejenige mit der größten Emotion, die gar nicht mehr ruhig auf ihrem Stuhl sitzen bleiben kann. Dieser Ansatz kann beispielsweise mit der Methode
    Dynamic Facilitation gut umgesetzt werden.


  • Konflikte: Konflikte und Kommunikationsprobleme sind normal, denn natürlich gibt es immer unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen. Deshalb gehört zur Moderation eine positive und gelassene Grundhaltung zu Konflikten. Durch nichts wird deutlicher, was den Menschen wirklich wichtig ist und was sie brauchen, als durch Emotionen und Konflikte.

    Wenn Gruppen gemeinsam arbeiten, müssen vorhandene Konflikte sensibel und dosiert zum Thema werden. Das gilt besonders für Dinge, die bisher nie ausgesprochen wurden – der rote Elefant, der riesengroß mitten im Raum sitzt, den aber jeder ignoriert. Da braucht es manchmal eine externe Begleitung, um zu spiegeln, dass die Kolleg*innen nur noch in einem gereizten Ton miteinander sprechen oder jeder neue Vorschlag wegdiskutiert wird. Manchmal kennen es die Anwesenden einfach schon gar nicht mehr anders und sind überrascht über Fragen wie „Ich frage mich, ob Sie das schon immer so machen?“ oder „Worüber ich noch nachdenke – was haben Sie davon?“.

    Nicht vergessen: Alle offengelegten Konflikte müssen auch bearbeitet werden. Dafür ist nicht immer der richtige Zeitpunkt. Hier finden Sie meine Tipps zum Umgang mit Konflikten in der Moderation.

  • Flexibilität: Jede Gruppe, jeder Prozess, jeder Zeitpunkt braucht etwas anderes. Manchmal ist ein Workshop penibel vorbereitet, plötzlich sind andere Menschen da als ursprünglich gedacht, und das ganze Konzept funktioniert nicht mehr. Wichtig ist es also, flexibel im Kopf zu sein und die vorher entwickelte Struktur und Methodik auch mal wieder ad acta zu legen – mit Einverständnis der Gruppe.



Moderation


Die Moderations-Rolle ändert sich im Gruppenprozess


Bei all den unterschiedlichen Varianten an Gruppen und Ausgangssituationen ist eins immer gleich: Die Rolle der Moderation verändert sich im Prozess.


Zu Beginn hat sie eine starke Rolle. Sie öffnet die Diskussion, spannt das Problemfeld und lädt breit zu allen Perspektiven ein. Ziel ist zu Beginn also das Divergieren – viele verschiedene Facetten auf den Tisch bringen, voneinander abweichende Perspektiven einsammeln und darstellen.


In der sich anschließenden vertieften Diskussion verlagert sich der Fokus. Entsprechend zieht sich die Moderation zurück und überlässt der Gruppe ihren Raum. Am Ende hat die Moderation wieder eine starke Rolle, um die beabsichtigte Konvergenz herbeizuführen – eine Annäherung der Positionen, eine Übereinstimmung über die Lösung. Sie bündelt und führt zusammen.


Natürlich läuft dieser Gruppenprozess nicht immer nach demselben Schema ab. Deshalb hilft Sensibilität dafür, in welcher Rolle man gerade benötigt wird und wie viel Raum die Gruppe braucht.



Struktur als zentrale Moderations-Aufgabe


Die Moderation hat die Aufgabe, die Gruppe zu lenken und zu führen. Sie ist die einzige Person im Raum, die nicht in Inhalte verstrickt ist, sondern deren Hauptaufgabe es ist, für eine Struktur des Austausches zu sorgen. Dies beinhaltet zum Beispiel folgende Aspekte:


  • Wie bei so vielen Dingen: Entscheidend ist das Ziel. Was soll am Ende des Dialogs, der Sitzung stehen? Braucht es ein klares Ergebnis, eine Lösung für eine Herausforderung, geht es nur um Information, oder um ein erstes Brainstorming? Daran orientieren sich die Vorbereitung und die gewählte Methodik für den Termin sowie natürlich die Tagesordnung. Dieses Ziel wird zu Beginn nochmal mit der Gruppe vereinbart und während des gesamten Prozesses verfolgt. Wenn die Gruppe es aus dem Auge verliert, ist es wichtig, ihr das zu spiegeln und möglicherweise das Ziel zu modifizieren.


  • Die Moderation fasst Perspektiven und Ergebnisse immer wieder zusammen. Durch Fragen werden diese ständig mit den Teilnehmenden rückgekoppelt („Ist es in Ordnung wenn…“, „Sehe ich es richtig, das…“). Durch gutes Zusammenfassen und Zuspitzen werden Perspektiven klarer und Missverständnisse können ausgeräumt werden („Nein, so habe ich das doch gar nicht gemeint.“) Eine gute Unterstützung hierbei sind Visualisierungen, die den Dialog und Gesprächsergebnisse festhalten, zum Beispiel auf einem Flipchart.


  • Die Moderation sorgt für Verbindlichkeit. Am Ende gibt es also klare Vereinbarungen, wie es zwischen wem mit dem Thema weiter geht und wer dazu was tun muss. So verlassen alle das Gespräch mit dem Gefühl: Es hat sich gelohnt, Zeit und Energie zu investieren, es gibt ein Ergebnis.


Fragen in der Moderation


Moderieren bedeutet gute Fragen zu stellen, um alles Wissen der Gruppe zu nutzen. Einige meiner Lieblingsfragen:


  • Was bringen Sie heute mit? Was wollen Sie heute mitnehmen?
  • Wie können Sie ihr Problem als Frage stellen?
  • Wie geht es Ihnen, wenn Sie das hören?
  • Was sagen die anderen dazu?
  • Gibt es weitere Perspektiven? Welche Perspektive fehlt?
  • Was noch?
  • Was schlagen Sie vor?
  • Was ist ihre Befürchtung?
  • Wenn Sie alle Macht der Welt hätten – wie sähe ihre Lösung aus?
  • Was können wir tun, um ihren Widerstand zu reduzieren? Was brauchen sie, um zuzustimmen?
  • Mal angenommen, wir wollen heute einen Schritt weiterkommen - was müsste dann noch in den letzten 30 Minuten passieren?
  • Wenn wir heute kein Ergebnis finden – woran wird das liegen?


Weitere Fragen in der Moderation habe ich hier gesammelt.



Ich gebe zu: Das alles klingt so, als ob die berühmte eierlegende Wollmilchsau gesucht wird. Nicht alle Aspekte können immer gleich gut umgesetzt werden und manchmal sind die Rahmenbedingungen einfach andere. Dann hilft nur Flexibilität, um sich an die Gegebenheiten anzupassen und gegebenenfalls auch den einen oder anderen Grundsatz über Bord zu werfen.


Wollen sie ihre Gruppe von mir als Moderatorin begleiten lassen? Ich freue mich auf Ihre Nachricht!

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