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Neue Perspektiven durch gute Fragen

Nadja Wersinski • Mai 17, 2019

10 Fragen, die Bewegung in Beteiligungsveranstaltungen bringen

Fragezeichen

Gute Fragen bringen Bewegung in Dialoge und Beteiligungsveranstaltungen. Im Coaching etablierte Fragen stoßen auch in Beteiligungsprozessen Denkprozesse an und geben eingefahrenen Gesprächen eine neue Richtung.

Wie setzen Sie solche Fragen ein? Sie können zum Beispiel bei einer Beteiligungsveranstaltung im Plenum gestellt und diskutiert werden, sie können einen Impuls in eine Arbeitsgruppe geben oder auch ein kurzes Zweiergespräch einleiten.

Meine 10 nützlichen Fragen in Beteiligungsveranstaltungen:

1. „Was ist ihre allerkühnste Hoffnung: Was können wir durch die Neugestaltung des Platzes erreichen?“ oder auch „Wenn sie alle Macht der Welt hätten – wie sieht ihre Lösung für unser Problem aus?“

Es hilft, sich immer wieder neu zu überlegen: Wie sieht eigentlich die perfekte Lösung aus? Die Frage spricht die Anwesenden emotional an und löst sie gedanklich aus der aktuellen Realität. Alle können so ihre wirklichen Anliegen und Bedürfnisse in ihrem idealen Zukunftsbild ausdrücken.

2. „Was können wir machen, um die Konflikte garantiert eskalieren zu lassen?“ oder auch „Wie können wir heute Abend dafür sorgen, dass wir auf jeden Fall alle frustriert nach Hause gehen?“

Paradoxe Fragen helfen dann, wenn das Nachdenken über Lösungen schwerfällt. Sie machen deutlich: Wir können was verändern. Und es macht Spaß, sich gemeinsam absurde Strategien einfallen zu lassen - das lockert angespannte Stimmungen auf. Was gut funktioniert: die Vorschläge mitschreiben und anschließend überlegen "Wenn wir genau das Gegenteil von all dem machen, kommen wir dann vielleicht einen Schritt weiter?"

3. „Auf einer Skala von 1 bis 10 – wie sehr haben wir bereits ein gutes Verkehrskonzept für unsere Stadt entwickelt?“

Skalierungsfragen bringen Einschätzungen ohne Diskussion auf den Punkt. So haben Sie schnell einen Überblick über die Stimmung in einem Raum. Legen Sie die Skala mit Karten auf dem Boden aus, so dass jeder sich auf passende Karte stellen kann. Spannend ist die Folgefrage: „Viele von Ihnen haben das Gefühl, wir sind gerade auf der 3. Was können wir machen, um von einer 3 auf die 4 zu kommen?“

4. „Sie steigen im Rathaus mit dem Oberbürgermeister in den Fahrstuhl. Sie haben Zeit bis der Fahrstuhl die fünfte Etage erreicht. Wie bringen Sie Ihre Anliegen zum neuen Wohngebiet auf den Punkt?“

Der „Elevator Pitch“ dient unter anderem im Marketing dazu, wesentliche Punkte, beispielsweise eines Produktes, in wenigen Sekunden (der Dauer einer Fahrstuhlfahrt) zuzuspitzen. Auch in Beteiligungsverfahren können so Anliegen komprimiert zusammengefasst und fokussiert werden. Jede/r muss sich entscheiden, was für sie oder ihn am allerwichtigsten ist.

5. „Sie sehen die Karten „Landwirtschaft“, „Gewerbe“ und „Wohnungen“ in unterschiedlichen Ecken des Raumes auf dem Boden liegen. Wo zwischen den Karten stellen Sie sich hin bei der Frage, wofür wir das Mozartfeld nutzen sollten?“

Ähnlich wie bei der Skalierungsfrage kommt durch das Aufstehen und Positionieren im Raum Bewegung in eine Gruppe. Denn alle verlassen ihre Stühle. Ohne Worte wird sofort sichtbar, wie die Stimmung im Raum ist. Und es wird deutlich: Es gibt kein Entweder-oder, sondern unterschiedliche Pole und viele Nuancen dazwischen.

6. „Ich höre, dass Sie sehr laut miteinander reden, und ich frage mich, ob das schon seit vielen Jahren so ist.“

Dies ist natürlich keine Frage im eigentlichen Sinne, sondern zunächst eine Beobachtung, gefolgt von einer Hypothese. Durch die Resonanz zeigen sich beispielsweise mögliche Konflikte und können bearbeitet werden.

7. „Was ist ihre Befürchtung?“

Hinter Widerstand steckt oft Angst. Zum Beispiel die Angst, dass durch eine Planung gravierende Nachteile entstehen. Die Frage spricht die Menschen auf der Ebene der Emotionen und Bedürfnisse an und bringt diese auf den Tisch. Gleichzeitig wird deutlich: Wir nehmen Befürchtungen ernst und berücksichtigen sie wenn möglich bei der Planung. Oft kann die Moderation kritische Wortbeiträge in eine Frage übersetzen, um Befürchtungen transparent zu machen. Ein Beispiel: „Befürchten Sie, dass Menschen mit wenig Geld hier bald nicht mehr wohnen können?“

8. „Wenn jetzt draußen vor dem Bürgersaal eine ältere Dame aus der Nachbarschaft vorbeiläuft und durch das offene Fenster Ihr Gespräch anhört – was sagt sie zu Ihnen?“

Besonders in Konflikten sind die Beteiligten oft in ihren Positionen gefangen. Sie brauchen Unterstützung, um wieder offen zu sein für eine andere Perspektive. Mit der "Oma-Frage" wird das Problem von außen betrachtet - und damit oft relativiert.

9. „Stellen Sie sich vor, Sie gehen gleich nach Hause, und es geschieht ein Wunder. Unsere ganzen Schwierigkeiten mit dem Leitbild 2030 haben sich in Luft aufgelöst. Woran merken Sie es, wenn Sie morgen früh aufstehen?“

Die „Wunderfrage“ ist eine hypothetische Frage. Auch sie löst die Menschen aus ihrem aktuellen Problem und beamt sie in die Zukunft. Manchmal passt eine eine Folgefrage: „Was machen Sie anders, wenn das Wunder geschehen ist? Könnten Sie sich heute einfach mal so verhalten, als wenn das Wunder schon geschehen wäre?“

10. „Stellen Sie sich vor, wir treffen uns zufällig 2020 auf dem Luisenplatz wieder. Alles ist so, wie wir es wollten: Er ist ein Treffpunkt für die ganze Nachbarschaft! Ich bin ganz begeistert und frage Sie: Hey, wie um alles in der Welt haben sie das geschafft?“ oder auch „Stellen Sie sich vor, Sie schlagen im Jahr 2020 die Lokalzeitung auf und lesen „noch nie ist eine Bürgerbeteiligung so gut gelaufen wie beim Luisenplatz.“ Wie haben wir das geschafft?

Auch diese hypothetische Frage verlässt die aktuelle Situation und nimmt die Zukunft in den Blick. In der Fantasie wird das Bild erzeugt: Alles ist optimal gelaufen, wir haben es geschafft! Die Frage verdeutlicht: So ein fantastisches Ergebnis liegt in der Hand aller Beteiligten, es ist möglich das zu erreichen.


Was all diese Fragen auszeichnet:

Es sind offene Fragen. Sie lassen sich nicht mit ja oder nein beantworten.
Es sind Fragen, die wirken müssen und deren Antwort etwas Zeit braucht.
Es sind oft Fragen, die deutlich machen: Wir können durch unser Handeln die Situation beeinflussen.
Es sind Fragen, die nicht nur den Verstand der Menschen ansprechen, sondern auch das Gespür und die Emotionen.




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