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Wie wird eine Krise nicht zur Katastrophe?

Nadja Wersinski • Dez. 21, 2020

Mit Coaching-Tools die Krise meistern


Manchmal werden wir von einer Krise überrollt, auf die wir uns quasi über Nacht einstellen müssen. Ja, das trifft auf die Corona-Pandemie zu, aber auch auf viele kleinere berufliche Überraschungen. Um bei Corona und dem Jahresende 2020 zu bleiben: Gerade dachten wir, wir hätten das Schlimmste überstanden. Gerade haben wir uns in Sicherheit gewogen, aufgeatmet, und schon werden wir eines Besseren belehrt. Zu früh gefreut.


Wie können wir in so einer Situation einen klaren Kopf bewahren? Wie verlieren wir uns nicht im Chaos sondern schaffen es, Dinge zum Besseren zu beeinflussen? Einige Tools aus dem Systemischen Coaching helfen uns dabei.


Krise, was ist das eigentlich genau?


Eine Krise ist eine neue, überraschende Entwicklung zum Schlechten. Eine Art Wendepunkt, an dem sich Themen zuspitzen und entscheiden. Wir werden mit neuen Dingen konfrontiert und wissen nicht, wie wir mit ihnen gut umgehen können. Wie denn auch, wir kennen sie ja noch nicht.


Deshalb passen unsere üblichen Verhaltensweisen und Strategien nicht mehr. Wir sind orientierungslos und aufgewühlt. Was auch völlig in Ordnung ist, denn es ist wirklich etwas aus der Ordnung geraten. Es ist normal, dass es uns nicht gut geht, wie könnte es auch? Die gute Nachricht ist: eine Krise ist kein Dauerzustand, sondern vorübergehend. Sie geht vorbei.  


Warum fühlt es sich so schlimm an?

 

Wir sind zufrieden und fühlen uns gut, wenn unsere Grundbedürfnisse erfüllt sind. Natürlich sind Aspekte wie Sicherheit, Nahrung, Arbeit und so weiter am wichtigsten. Aber was ist mit den psychischen Bedürfnissen, wenn die wichtigste Grundversorgung gesichert ist? Prof. Grawe formuliert vier davon:

 

-      Nähe und Zugehörigkeit

-      Kontrolle und Selbstbestimmung

-      Lust

-      Selbstwert


Diese Grundbedürfnisse erklären, warum sich Krisen so schlimm anfühlen. Wir haben nicht mehr die Kontrolle über unseren Alltag, können (wieder am Beispiel Corona) unsere Lieben nicht treffen, nicht die Dinge tun, die uns Spaß machen, vielleicht unseren Beruf nicht ausüben. All unsere Bedürfnisse sind nicht erfüllt.


Schon wieder eine gute Nachricht: Wenn wir unsere Bedürfnisse kennen, können wir auch etwas tun, um sie zu erfüllen. Denn: wir können sie zwar nicht so befriedigen wie wir es gewohnt sind, aber vielleicht auf einem anderen Weg. Ein kleiner Test: Auf einer Skala von 1 bis 10, wie sehr ist ihr Bedürfnis nach Nähe aktuell erfüllt? Und was können sie tun, um auf der Skala einen Schritt weiter zu kommen?



Sich aus der Krise lösen


Mitten in einer Krise ist es sehr schwer, sich aus der bedrohlichen Situation zu lösen und mal wieder eine andere Perspektive einzunehmen. Da hilft auch kein "Entspann dich doch mal", "Sieh das Positive" oder "Hör auf zu grübeln". Dabei hilft es so sehr, den Blick mal hochzunehmen, nach links und rechts zu schauen und festzustellen: vor mir liegt ein tiefes, dunkles Tal, ja. Aber dahinter, da steht ein Schloss auf dem Berg, und links und rechts führen Wege aus dem Tal heraus.


Wie ist es möglich, diesen weiten Blick auf die Dinge zu bekommen? Auf neue Gedanken zu kommen und sich zu erinnern, was man alles kann? Die Bedrohlichkeit der Krise zu hinterfragen und sich aus ihr zu befreien? Vier Vorschläge dazu:

 

  1. Raus aus der Krise, auf in die Zukunft! Auf einer Skala von 1 bis 100, wie bedrohlich ist die Krise heute? Und wie bedrohlich wird sie nächste Woche sein, nächstes Jahr? Wo steht sie auf der Bedrohlichkeitsskala, wenn sie in Rente gehen? Plötzlich wird klar: Krisen sind endlich. Und wo wir gerade dabei sind, noch eine typische Coaching-Frage: Sie erzählen in zwanzig Jahren, wie großartig sie diese Krise gemeistert haben. Und werden gefragt: Grandios, wie hast du denn das nur geschafft?

  2. Manchmal können wir einer Situation einen neuen Sinn geben, indem wir sie in einem anderen Kontext sehen. Dieses sogenannte Reframing bedeutet, nicht zu fragen „Warum ausgerechnet jetzt? Warum passiert das mir?“ sondern stattdessen nach dem „Wofür“. Wofür, ist das, was passiert, gut? Letztendlich verbirgt sich dahinter die demütige Haltung: Alles was geschieht, ist für etwas gut. Auch wenn es ganz schön viel verlangt ist, die Krise als Chance zu sehen, so lange man noch mitten drin steckt.

  3. Viktor Frankl hat den Satz geprägt: „Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum.“ Was bedeutet das? Auf viele Dinge haben wir eine Standardreaktion, die automatisch erfolgt, ohne dass wir drüber nachdenken. Kälte – ich ziehe mir etwas an. Jemand redet laut mit mir – ich rede noch lauter. Dieser Impuls, schnell zu reagieren, ist menschlich. Besonders in stressigen Situationen handeln wir schnell, um die Kontrolle zu behalten.

    Hilfreich ist es aber oft, kurz innezuhalten. Diesen Raum zwischen Reiz und Reaktion wahrzunehmen und sich bewusst zu entscheiden: Was habe ich für ein Bedürfnis? Und was kann ich tun, um mein Bedürfnis zu erfüllen? Es ist egal, wie groß die Krise ist, niemand zwingt uns, auf eine bestimmte Art und Weise auf sie zu reagieren – so wie wir immer reagieren, so wie alle reagieren. Wir können uns in jeder Situation bewusst für eine neue Reaktion entscheiden.

  4. Viele kennen „The Work“ von Byron Katie. In ihrem Ansatz geht es darum, die eigenen Gedanken zu hinterfragen. Stimmt das wirklich, was ich über die Welt denke? Denn jede Überzeugung, die wir haben, haben wir uns selbst zusammengebastelt, sie ist nicht wahr. Die Coachingbande hat das zur Methode „The Crisis Work“ weiterentwickelt.

    Wenn wir uns durch eine Krise bedroht fühlen, fehlt uns etwas – zum Beispiel die Erfüllung eines unserer Grundbedürfnisse. Wie wäre es aber, diesen Mangel zu hinterfragen? Ist es wirklich wahr, dass ihnen Orientierung/Mut/Nähe fehlt? Wie fühlen sie sich, wenn sie das glauben? Gibt es Momente, in denen sie nicht glauben, dass das wahr ist – und wie geht es Ihnen dann? Was ist der Grund dafür, dass es Ihnen besser geht, wie haben sie das geschafft?


All diese Methoden unterstützen uns dabei, uns aus der Krise zu lösen und auf andere Gedanken zu kommen.



Die Krise aktiv meistern


Wenn die Krise nicht mehr den Anschein einer bedrohlichen Katastrophe hat, ist es auch wieder möglich, zu handeln und die Zukunft aktiv zu gestalten.

 

Nur: wohin sich bewegen? Was genau tun? Das ist oft gar nicht so leicht zu erkennen. Da hilft manchmal nur das polynesische Segeln. Gunther Schmidt hat dieses Prinzip aufs Coaching übertragen. Es bedeutet: auch ohne Landkarte und ohne Ziel einfach mal lossegeln. Dahin, wo es leicht ist, wo der Wind einen hinträgt. Von einer Insel zur nächsten, ohne zu wissen, wo man landet. Unterwegs werden sich bestimmt Chancen ergeben oder neue Türen zeigen. Das heißt also: manchmal reicht es, einfach anzufangen. Und sich damit die Bedürfnisse nach Selbstbestimmung und Lust zu erfüllen.


Drei weitere Ansätze aus dem Coaching, wieder aktiv zu werden:

 

  • Ressourcenlauf: Sie haben alles, was sie brauchen in sich, um diese Krise zu überstehen. Wie sie diese Ressourcen nutzen können, hat die Coachingbande mit der umfangreichen Coaching-Methode „Ressourcenlauf“ entwickelt. In aller Kürze zum selber ausprobieren:


  • Was fehlt ihnen? Was brauchen sie in der aktuellen Krise, damit es ihnen besser geht?


  • Wenn sie sagen, sie brauchen mehr Orientierung/Selbstbewusstsein/Vertrauen – wann in ihrem Leben hatten sie genau das? Wann waren sie zum Beispiel besonders selbstbewusst? Wie alt waren sie da? Schreiben sie diese Situationen auf Karten und ordnen sie am besten chronologisch.


  • Jetzt nehmen sie jede Karte nacheinander in die Hand und vertiefen sich in die Situation. Wie war das damals? Wer war dabei? Was haben sie gehört, gesehen, gefühlt? Nehmen sie all das intensiv wahr.


  • Nehmen sie all die Karten und Ressourcen mit ins Hier und Jetzt. Alles was sie brauchen, haben sie bei sich. Wie fühlt sich das an? Mit all ihren Stärken bei sich – schauen sie mal in die Zukunft, wie sie auch alle zukünftigen Krisen meistern werden. Wie fühlt sich das an?



  • Wofür nutzen sie momentan ihre Energie? Nehmen sie sich ein paar Plastikbecher und beschriften sie mit den Lebensbereichen, denen sie ihre Energie schenken – zum Beispiel Familie, Sport, Arbeit, Chor, Partnerschaft, Ich. Nun verteilen sie Energie-Murmeln/Steine/Muscheln in ihre Becher – in welchen Bereich geben sie wieviel Energie?

    Schauen sie sich nun das Gesamtbild und ihre Energie-Verteilung an. Meist sind wir mit einzelnen Aspekten unzufrieden, wollen Energie vom einen zum anderen Ort verlagern. Nur zu, wo wollen sie ihre Energie steigern, und aus welchem Becher nehmen sie sie fort? Und was bedeutet das in ihrem Konkreten Alltag, wenn sie ihre Energie anders verteilen? Sie selber haben es in der Hand, ihre Murmeln (und damit ihre Energie) zu lenken.


  • Stephen Covey hat den sogenannten Circle of Control erfunden, um deutlich zu machen: wir sollten uns nur auf die Dinge konzentrieren, die wir auch beeinflussen können. Der Kreis besteht wie auf dem Bild unten aus drei Teilen.


1.  Der äußere „Circle of concern“ (meine Übersetzung: Betroffenheits-Kreis) beinhaltet alles, worum unsere Gedanken kreisen. Dinge die uns ärgern, Sorgen bereiten und unsere Aufmerksamkeit beanspruchen. Corona, das Wetter, die Wahlen in den USA.


2.  Der mittlere „Circle of influence“ (meine Übersetzung: Einfluss-Kreis) beinhaltet alle Dinge, auf die wir direkt Einfluss nehmen und die wir dadurch zumindest mitgestalten können.   


3. Der innere und kleinste „Circle of control“ (meine Übersetzung: Kontroll-Kreis) besteht nur aus Dingen, die wir kontrollieren können. Hier haben wir den höchsten Einfluss.


Welcher Kreis nimmt in ihrem Alltag den größten Raum ein? Ziel ist es, unsere Energie immer mehr auf den Einfluss- und den Kontroll-Kreis zu konzentrieren. Bei jeder Sorge können sie sich fragen: Kann ich die Situation beeinflussen? Mit einem Aufwand, der es mir wert ist? Falls nicht ist jedes Grübeln darüber Zeitverschwendung.


Circle of Control


Natürlich können auch all diese Tools die Krise nicht abrupt stoppen. Aber sie können uns helfen, uns immer wieder rauszuziehen aus schwierigen Momenten und Dinge zum Besseren zu beeinflussen. Wollen sie sich auf diesem Weg von mir als Coach begleiten lassen? Ich freue mich auf Ihre Nachricht!

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